19. März 2025

Schein­selbst­stän­dig­keit in Deutsch­land – was Selbst­stän­dige wissen müssen

Schein­selbst­stän­dig­keit kurz erklärt: Erfahren Sie, wie Sie Fall­stricke vermeiden, sich absi­chern und legal für Unter­nehmen arbeiten – auch mit nur einem Kunden. Mit Check­liste.

Schein­selbst­stän­dig­keit – ein kompli­ziert klin­gendes Wort, das für Selbst­stän­dige in Deutsch­land aber sehr wichtig ist. Viel­leicht haben Sie den Begriff schon gehört oder sind unsi­cher, was er bedeutet. In diesem Artikel erfahren Sie praxisnah und leicht verständ­lich, was Schein­selbst­stän­dig­keit ist, welche Risiken damit einher­gehen und wie Sie sich davor schützen. Außerdem zeigen wir Ihnen alter­na­tive Wege auf, um für Unter­nehmen tätig zu sein, ohne in die Schein­selbst­stän­dig­keits-Falle zu geraten. Lehnen Sie sich zurück – wir führen Sie Schritt für Schritt durch das Thema und geben konkrete Hand­lungs­emp­feh­lungen.

Defi­ni­tion: Was ist Schein­selbst­stän­dig­keit?

Schein­selbst­stän­dig­keit liegt vor, wenn jemand auf dem Papier selbst­ständig ist, in der Realität aber wie ein Ange­stellter für einen Auftrag­geber arbeitet​. Mit anderen Worten: Man tritt formal als selb­stän­diger Unter­nehmer oder Frei­be­rufler auf, ist tatsäch­lich aber abhängig beschäf­tigt – also in das Unter­nehmen einge­bunden und weisungs­ge­bunden, wie es bei einem normalen Ange­stellten der Fall wäre. Die Deut­sche Renten­ver­si­che­rung defi­niert schein­selbst­stän­dige Arbeit­nehmer als Personen, „die formal wie selbst­ständig Tätige auftreten, tatsäch­lich jedoch abhängig Beschäf­tigte […] sind“​

Stellen Sie sich zum Beispiel folgendes Szenario vor: Herr Müller war bis letztes Jahr fest bei einer Firma als IT-Berater ange­stellt. Nun hat er sich „selbst­ständig“ gemacht, arbeitet aber weiterhin exklusiv für seinen ehema­ligen Arbeit­geber. Er sitzt jeden Tag im Büro der Firma, hat feste Arbeits­zeiten von 9 bis 17 Uhr und muss sogar seinen Urlaub mit dem Team abstimmen – alles genau wie früher als Ange­stellter. Obwohl Herr Müller nun einen Free­lancer-Vertrag hat, hat sich an seiner Arbeits­weise kaum etwas geän­dert. Dieses Bild entspricht einer Schein­selbst­stän­dig­keit, denn Herr Müller ist in Wahr­heit kein unab­hän­giger Unter­nehmer, sondern faktisch ein Teil des Unter­neh­mens und von ihm abhängig beschäf­tigt.

Warum ist das ein Problem? Weil in Deutsch­land für abhängig Beschäf­tigte bestimmte Schutz­pflichten gelten: Der Arbeit­geber muss Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­träge abführen (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung) und Arbeits­rechte wie Urlaub, Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall, Kündi­gungs­schutz etc. gewährleisten​. Ein Selbst­stän­diger hingegen kümmert sich selbst um seine Absi­che­rungen, weshalb hier keine Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­träge vom Auftrag­geber gezahlt werden. Wenn jedoch jemand nur zum Schein selbst­ständig ist, versucht man im Prinzip, diese Pflichten zu umgehen – und genau das sieht der Gesetz­geber gar nicht gern.

Wichtig: Schein­selbst­stän­dig­keit ist kein eigener Para­graf im Gesetz, sondern das Ergebnis einer Prüfung des tatsäch­li­chen Arbeits­ver­hält­nisses. Dabei kommt es nicht allein darauf an, was im Vertrag steht, sondern vor allem, wie die Zusam­men­ar­beit in der Praxis aussieht.​ Selbst wenn vertrag­lich fest­ge­halten ist, dass jemand als freier Mitar­beiter tätig ist, kann es als Schein­selbst­stän­dig­keit gewertet werden, wenn die Realität anders aussieht. Die Abgren­zung ist im Einzel­fall manchmal knifflig, da viele Krite­rien betrachtet werden müssen​. Im Kern möchten die Behörden sehen, dass sich Ihr Verhältnis zum Auftrag­geber deut­lich von dem eines Ange­stellten unter­scheidet.​ Nur dann ist es gerecht­fer­tigt, dass das Unter­nehmen keine Sozi­al­ab­gaben für Sie zahlt und Sie nicht unter das Arbeits­recht des Betriebs fallen​

Risiken und Fall­stricke der Schein­selbst­stän­dig­keit

Schein­selbst­stän­dig­keit ist keine Lappalie – sie kann für beide Seiten ernste Konse­quenzen haben. Viele Selbst­stän­dige ahnen gar nicht, in welche Falle sie tappen, wenn sie faktisch wie Arbeit­nehmer arbeiten. Hier sind die größten Risiken und Fall­stricke, die Sie kennen sollten:

  • Nach­zah­lungen und finan­zi­elle Belas­tungen: Wird Schein­selbst­stän­dig­keit fest­ge­stellt, wird Ihr Auftrag­geber so behan­delt, als hätte er Sie die ganze Zeit regulär anstellen müssen. Das heißt, das Unter­nehmen muss alle fälligen Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­träge nach­zahlen – und zwar für Arbeit­geber- und Arbeit­neh­mer­an­teil!​ Diese Nach­for­de­rungen können schnell enorme Summen errei­chen (oft fünf­stel­lige Beträge)​. Bei Vorsatz können sogar bis zu 30 Jahre rück­wir­kend Beiträge einge­for­dert werden und straf­recht­liche Folgen drohen​. Für kleine Unter­nehmen kann das exis­tenz­be­dro­hend sein. Aber auch für Sie persön­lich kann es teuer werden: Ihren eigenen Sozi­al­ver­si­che­rungs­an­teil der letzten Monate müssten Sie nach­zahlen, falls der Auftrag­geber ihn von Ihnen zurückfordert​. Zudem müssen Steuern korri­giert werden – etwa Umsatz­steuer, die Sie in Rech­nungen ausge­wiesen haben, denn als echter Arbeit­nehmer hätten Sie gar keine Umsatz­steuer berechnen dürfen​. Solche Korrek­turen können Nach­zah­lungen ans Finanzamt nach sich ziehen.
  • Recht­liche Konse­quenzen und Strafen: Für den Auftrag­geber kann Schein­selbst­stän­dig­keit recht­liche Strafen bedeuten. Das vorent­hal­tene Abführen von Sozi­al­bei­trägen wird als Offi­zi­al­de­likt gewertet – im Straf­ge­setz­buch (§266a StGB) ist das sogar eine Straftat​. Arbeit­geber, die bewusst Schein­selbst­stän­dige beschäf­tigen, riskieren also straf­recht­liche Ermitt­lungen. Als Auftrag­nehmer stehen Sie zwar weniger im Fokus straf­recht­li­cher Verfol­gung, aber Sie könnten im schlimmsten Fall als Mitwisser gelten. Zudem verlieren Sie durch eine Schein­selbst­stän­dig­keit alle Vorteile sowohl der Selbst­stän­dig­keit (z.B. freie Zeit­ein­tei­lung in der Theorie) als auch die Vorteile eines Arbeit­neh­mers (Urlaub, Kündi­gungs­schutz etc.), weil Sie offi­ziell selbst­ständig waren, aber prak­tisch nichts davon hatten. Man hängt sozu­sagen „zwischen den Stühlen“ und hat nur die Nach­teile beider Seiten.
  • Rück­wir­kende Umstel­lung des Arbeits­ver­hält­nisses: Wenn die Behörden oder ein Gericht fest­stellen, dass Schein­selbst­stän­dig­keit vorlag, wird Ihr Verhältnis nach­träg­lich in ein Ange­stell­ten­ver­hältnis umge­wan­delt. Für Sie bedeutet das: Sie gelten dann als Arbeit­nehmer der Firma – zumin­dest für den frag­li­chen Zeit­raum. Das hat immerhin den Effekt, dass Ihnen nach­träg­lich gewisse Arbeit­neh­mer­rechte zuge­spro­chen werden können (z.B. Urlaubs­an­spruch, Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall), aber in der Praxis ist das selten ein Trost. Oft endet die Zusam­men­ar­beit mit dem Auftrag­geber abrupt, da dieser ja eigent­lich keinen regu­lären Arbeit­nehmer einstellen wollte. Im schlimmsten Fall verlieren Sie also Ihren Auftrag und stehen plötz­lich ohne Einkommen da – und müssen Ihr Gewerbe abmelden, da Sie ja formal kein Selbst­stän­diger mehr in dem Zeit­raum waren​.
  • Unsi­cher­heit und Repu­ta­ti­ons­ver­lust: Bereits die Prüfung auf Schein­selbst­stän­dig­keit ist unan­ge­nehm. Sie kann durch verschie­dene Stellen ange­stoßen werden – zum Beispiel durch die Deut­sche Renten­ver­si­che­rung, die Kran­ken­kasse, das Finanzamt oder sogar durch eine*n selbst (etwa wenn ein Free­lancer Kündi­gungs­schutz einklagt). So eine Über­prü­fung zerrt an den Nerven, kostet Zeit und im Geschäfts­leben spricht sich so etwas auch herum. Sie möchten sicher vermeiden, dass Ihr wich­tigster Kunde verun­si­chert wird oder Ihr guter Ruf leidet, nur weil Unklar­heit über Ihren Status besteht. Die Behörden kontrol­lieren freie Mitar­beit in den letzten Jahren verstärkt​, daher ist Wach­sam­keit geboten.

Kurz gesagt: Schein­selbst­stän­dig­keit kann Ihre und die Exis­tenz­grund­lage Ihres Auftrag­ge­bers gefährden​. Es drohen hohe finan­zi­elle Nach­for­de­rungen, recht­liche Ausein­an­der­set­zungen und das Ende der Geschäfts­be­zie­hung. Daher sollte jeder Selbst­stän­dige die Anzei­chen kennen, um gar nicht erst in diese Situa­tion zu geraten. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie, wie Sie Schein­selbst­stän­dig­keit proaktiv vermeiden können.

Vermei­dung: Wie Sie nicht in die Schein­selbst­stän­dig­keits-Falle tappen

Zum Glück ist Schein­selbst­stän­dig­keit kein Schicksal, dem man hilflos ausge­lie­fert ist. Sie selbst können einiges tun, um gar nicht erst in Verdacht zu geraten. Hier sind konkrete Maßnahmen, mit denen Sie Ihr Geschäfts­ver­hältnis sauber aufstellen und zeigen, dass Sie wirk­lich selbst­ständig handeln:

  • Arbeiten Sie für mehrere Kunden: Einer der wich­tigsten Tipps gleich vorweg: Vermeiden Sie, dauer­haft nur einen einzigen Auftrag­geber zu haben. Wenn Sie Ihr Einkommen zu fast 100% von nur einer Firma beziehen, läuten bei der Renten­ver­si­che­rung schnell die Alarmglocken​. Sorgen Sie daher möglichst für Auftrags­viel­falt. Auch wenn Sie anfangs viel­leicht einen Haupt­kunden haben – versu­chen Sie, daneben weitere kleine Projekte oder Kunden zu gewinnen. Das unter­mauert Ihren Status als unab­hän­giger Unter­nehmer. Eine vertrag­liche Klausel, die Ihnen erlaubt, für andere Kunden zu arbeiten, reicht nicht aus – Sie sollten das tatsäch­lich tun. Als grober Richt­wert gilt die 5/6-Regel: Wenn mehr als fünf Sechstel Ihres Umsatzes von einem Kunden kommen, ist Vorsicht geboten​.
  • Pflegen Sie einen eigenen Markt­auf­tritt: Treten Sie nach außen sichtbar als eigenes Unter­nehmen auf. Dazu gehören z.B. eine eigene Firmen-Website, Visi­ten­karten, Brief­pa­pier mit Logo und eine geschäft­liche E-Mail-Adresse mit Ihrer eigenen Domain, nicht die des Kunden​. Wenn Sie Werbung für Ihre Dienst­leis­tungen machen oder öffent­lich auftreten (z.B. Vorträge, Social Media, Bran­chen­ver­zeich­nisse), unter­mauert das Ihre Selbst­stän­dig­keit. Ein offi­zi­elles Firmen­schild am Büro oder eigene Geschäfts­räume wirken eben­falls profes­sio­nell und eigenständig​. All das signa­li­siert: Hier ist ein eigen­stän­diger Unter­nehmer am Werk, nicht jemand, der still und heim­lich im Auftrag nur einer Firma werkelt.
  • Lassen Sie sich keine Weisungen aufzwingen: Achten Sie darauf, möglichst frei in der Gestal­tung Ihrer Arbeit zu sein. Sie sollten selbst entscheiden können, wann, wo und wie Sie arbeiten​. Natür­lich müssen Sie verein­barte Dead­lines einhalten und gute Arbeit liefern – aber Details der Ausfüh­rung sollten Ihr Bier sein, nicht das des Auftrag­ge­bers. Verein­baren Sie idea­ler­weise im Vertrag keine festen Arbeits­zeiten oder Präsenz­pflichten. Wenn ein Kunde verlangt, dass Sie z.B. täglich von 9-17 Uhr vor Ort sind, ist das ein deut­li­ches Indiz für Schein­selbst­stän­dig­keit. Besser ist es, wenn Sie Ergeb­nisse schulden (z.B. im Rahmen eines Werk­ver­trags ein fertiges Projekt ablie­fern) statt Ihre Zeit zu bestimmten Stunden. Keine unmit­tel­bare Weisungs­be­fugnis seitens des Kunden sollte vertrag­lich fest­ge­halten sein​. Kurz: Behalten Sie Ihre unter­neh­me­ri­sche Frei­heit. Wenn der Kunde anfängt, Ihnen jede Klei­nig­keit vorzu­schreiben, ist es Zeit, freund­lich aber bestimmt Grenzen zu setzen.
  • Nicht ins Team inte­grieren lassen: Als Selbst­stän­diger sind Sie extern – verhalten Sie sich auch so. Das bedeutet z.B., Sie nehmen nicht an jedem internen Meeting teil, Sie erscheinen nicht im Orga­ni­gramm oder Tele­fon­ver­zeichnis des Unter­neh­mens und Sie nutzen idea­ler­weise Ihre eigene Ausstat­tung (Laptop, Telefon) statt perma­nent einen Firmenrechner​. Je weniger Sie wie ein fester Bestand­teil der Betriebs­or­ga­ni­sa­tion wirken, desto besser. Falls Sie ein Büro beim Kunden nutzen, achten Sie darauf, dass es als externer Arbeits­platz erkennbar ist (z.B. Schild „extern“ an der Tür, o.ä.)​. Wichtig: Keine Firmen-E-Mail-Adresse annehmen, die so tut, als wären Sie Ange­stellter – kommu­ni­zieren Sie unter Ihrem eigenen Namen/Firma. Und wenn es um Urlaubs­zeiten geht: Sie müssen nicht Ihren Urlaub mit der Beleg­schaft koor­di­nieren. Tun Sie dies doch (weil der Kunde es verlangt), ist das ein Alarm­zei­chen für Scheinselbstständigkeit​.
  • Eigene Entschei­dungen treffen und Risiko tragen: Unter­neh­mertum bedeutet, auch ein gewisses Risiko zu tragen und Entschei­dungen selbst zu fällen. Zeigen Sie, dass Sie nicht einfach Befehls­emp­fänger sind, sondern auf eigene Rech­nung arbeiten. Dazu gehört, dass Sie bspw. eigene Ausgaben tätigen, um Ihren Job zu erle­digen (Soft­ware­li­zenzen, Werk­zeuge, Weiter­bil­dung – was eben nötig ist). Dieses Unter­neh­mens­ri­siko und Inves­ti­tionen aus eigener Tasche werden als deut­li­cher Hinweis auf Selbst­stän­dig­keit gewertet​. Eben­falls positiv wirkt, wenn Sie zumin­dest perspek­ti­visch eigene Mitar­beiter oder Subun­ter­nehmer einsetzen. Beschäf­tigen Sie z.B. einen Assis­tenten oder arbeiten Sie zeit­weise mit Kollegen zusammen, zeigt das, dass Sie nicht als Einzel­kämpfer voll vom Auftrag­geber abhängen​. Zwar hat nicht jeder Solo-Selbst­stän­dige sofort Ange­stellte, aber viel­leicht gibt es die Möglich­keit, sich im Bedarfs­fall vertreten zu lassen – echte Selbst­stän­dige können sich im Urlaub oder Krank­heits­fall oft vertreten lassen, Schein­selbst­stän­dige meist nicht​.
  • Ange­mes­sene Hono­rar­struktur wählen: Ein subtiler, aber wich­tiger Punkt ist Ihr Honorar. Selbst­stän­dige sollten in der Regel deut­lich höhere Stun­den­sätze verlangen als vergleich­bare Festangestellte​. Warum? Weil Sie daraus Ihre eigene soziale Absi­che­rung finan­zieren müssen (Kran­ken­ver­si­che­rung, Alters­vor­sorge, Ausfall­zeiten etc.). Wenn Ihr Honorar auffällig gering ist, nahezu auf dem Niveau eines Gehalts, fragen sich Prüfer, ob hier nicht einfach ein verstecktes Ange­stell­ten­ver­hältnis vorliegt. Natür­lich müssen Ihre Preise markt­ge­recht sein – aber bedenken Sie Ihren Wert. Ein hoher Stun­den­satz allein schützt zwar nicht vor Schein­selbst­stän­dig­keit, ist aber ein Indiz dafür, dass Sie als Unter­nehmer kalku­lieren und Vorsorge betreiben​. Lassen Sie sich auch keine klas­si­schen Arbeit­nehmer-Bene­fits geben: Kein „Gehalt“ mit Urlaubs- oder Weih­nachts­geld, keine Lohn­fort­zah­lung bei Krank­heit etc. – solche Leis­tungen an einen „Freien“ wären ein klarer Wider­spruch und Hinweis, dass etwas nicht stimmt​.
  • Klare Verträge und Doku­men­ta­tion: Halten Sie schrift­lich fest, dass es sich um ein freies Dienst- oder Werk­ver­trags­ver­hältnis handelt und dass Sie weisungs­frei agieren. Zwar zählt am Ende die gelebte Praxis mehr als das Papier, aber ein sauberer Vertrag ist die Basis. Führen Sie even­tuell sogar Stun­den­nach­weise oder Projekt­be­richte so, dass erkennbar ist: Sie arbeiten ergeb­nis­ori­en­tiert und eigen­ver­ant­wort­lich, nicht im 9-to-5 Trott. Wenn möglich, verein­baren Sie Projekt­pau­schalen oder Stück­preise statt reinem Monats­ge­halt-Gefühl. Und sollten Sie länger für einen Kunden tätig sein, defi­nieren Sie Meilen­steine oder sepa­rate Aufträge anstatt nahtlos „wie ein Ange­stellter auf unbe­stimmte Zeit“ tätig zu sein.
  • Im Zweifel: Status prüfen lassen: Wenn Sie unsi­cher sind, können Sie ein soge­nanntes Status­fest­stel­lungs­ver­fahren bei der Deut­schen Renten­ver­si­che­rung bean­tragen. Dabei prüfen die Behörden offi­ziell, ob in Ihrem Fall eine sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tige Beschäf­ti­gung vorliegt​. Dieses Verfahren können Auftrag­geber und -nehmer gemeinsam anstoßen und es schafft Rechts­si­cher­heit. Aber Achtung: So ein Antrag will gut vorbe­reitet sein und ehrlich beant­wortet werden – im Zweifel ziehen Sie einen Rechts­be­rater hinzu. Ein posi­tiver Bescheid (dass Sie selbst­ständig sind) gibt Ihnen und Ihrem Kunden Beru­hi­gung. Fällt er negativ aus, wissen Sie zumin­dest früh­zeitig Bescheid und können gegen­steuern. Dieses Mittel sollten Sie sorg­fältig abwägen; oft reicht es schon, selbst­kri­tisch die obigen Krite­rien durch­zu­gehen und ggf. Anpas­sungen in der Zusam­men­ar­beit vorzu­nehmen.

Wenn Sie diese Maßnahmen beher­zigen, stehen die Chancen gut, dass Ihre Selbst­stän­dig­keit auch wirk­lich als solche aner­kannt wird. Tausende Free­lancer in Deutsch­land arbeiten tagtäg­lich legal und erfolg­reich für Unter­nehmen – der Schlüssel liegt darin, es profes­sio­nell und unab­hängig zu tun.

Selbstständig für ein Unternehmen arbeiten – aber richtig

Alter­na­tiven: Selbst­ständig für ein Unter­nehmen arbeiten – aber richtig

Gibt es Möglich­keiten, weiterhin selbst­ständig für ein Unter­nehmen tätig zu sein, ohne dass es gleich als Schein­selbst­stän­dig­keit gewertet wird? Die klare Antwort: Ja, wenn Sie ein paar Dinge beachten. Hier einige Alter­na­tiven und Gestal­tungs­formen, mit denen Sie sowohl Ihre Frei­heit bewahren als auch recht­lich auf der sicheren Seite sind:

  • Echte freie Mitar­beit mit Projekt­cha­rakter: Sie können durchaus länger für einen einzigen großen Kunden tätig sein – entschei­dend ist wie. Ideal ist eine Zusam­men­ar­beit auf Projekt­basis. Schließen Sie zum Beispiel einen Werk­ver­trag ab, der ein konkretes Arbeits­er­gebnis zum Ziel hat (etwa die Fertig­stel­lung eines Soft­ware-Moduls oder eines Designs). In diesem Rahmen können Sie einige Monate fast ausschließ­lich für diesen Auftrag­geber arbeiten, bleiben aber eigen­ständig in der Umset­zung. Wichtig ist, dass klar ist: Nach Projek­tende ist Schluss oder es wird neu verhan­delt. Solange Sie nicht auf unbe­stimmte Zeit wie ein normaler Mitar­beiter dort „sitzen“, sondern projekt­be­zogen und mit eigenem Fahr­plan agieren, haben Sie gute Karten. Auch ein freier Dienst­ver­trag kann funk­tio­nieren, wenn Sie darin bestimmte Bera­tungs- oder Dienst­leis­tungen erbringen, ohne sich dem internen Ablauf total unter­zu­ordnen. Kommu­ni­zieren Sie gegen­über dem Auftrag­geber offen, dass Sie Ihre Unab­hän­gig­keit wahren müssen – seriöse Unter­nehmen wissen das und respek­tieren es in der Regel, wenn Sie darauf achten.
  • Zwischen­schal­tung eines Dritt­an­bie­ters (wenn nötig): Eine andere Möglich­keit, die manche nutzen: Sie lassen sich für das Projekt über eine Agentur oder einen Dienst­leister vermit­teln. In diesem Modell wären Sie zum Beispiel bei einer Zeit­ar­beits­firma ange­stellt, die Sie an den Kunden ausleiht (Stich­wort Arbeit­neh­mer­über­las­sung), oder Sie nutzen einen Free­lancer-Abrech­nungs­ser­vice, bei dem Sie formal kurz­fristig ange­stellt werden, um beim Kunden ohne Risiko zu arbeiten. Diese Konstruk­tionen sind zwar nicht mehr „selbst­ständig“ im engeren Sinne, aber falls ein Unter­nehmen sehr strikt Risiken vermeiden will, kann so eine tempo­räre Anstel­lung über Dritte eine Alter­na­tive sein. Für Sie hat das den Nach­teil, dass Sie dann Ange­stellter des Dienst­leis­ters sind (mit allen Abgaben), aber wenigs­tens umgehen Sie den Schein­selbst­stän­dig­keits­vor­wurf. Dieser Weg will gut über­legt sein – viele Frei­be­rufler ziehen es vor, direkt selbst­ständig zu bleiben und statt­dessen die Zusam­men­ar­beit sauber zu struk­tu­rieren (siehe oben). Dennoch sei erwähnt, dass es solche Umbrella-Lösungen am Markt gibt, wo Sie faktisch einen Arbeit­geber haben, der Sie für Projekte „ausleiht“.
  • Grün­dung einer eigenen Kapi­tal­ge­sell­schaft: Oft wird Frei­be­ruf­lern geraten, zur Sicher­heit eine GmbH oder UG (Unter­neh­mer­ge­sell­schaft) zu gründen und über diese Firma die Aufträge abzu­wi­ckeln. Tatsäch­lich kann das in der Praxis helfen, da der Auftrag dann B2B (Firma zu Firma) vergeben wird. Viele Unter­nehmen fühlen sich wohler, wenn sie eine GmbH als Auftrag­nehmer haben, da dies weniger nach „Schein­selbst­ständig“ aussieht. Aber Vorsicht: Allein die Rechts­form GmbH schützt nicht auto­ma­tisch vor einer Einstu­fung als Schein­selbst­stän­diger! Entschei­dend bleibt das tatsäch­liche Verhalten. Auch bei einer Ein-Personen-GmbH kann man schein­selbst­ständig sein, wenn man sich wie ein Ange­stellter im Kunden­be­trieb verhält. Eine GmbH-Grün­dung nur zum Zweck der Umge­hung kann zudem proble­ma­tisch sein​. Dennoch bietet eine eigene Firma einige Vorteile: Sie können Mitar­beiter einstellen, treten am Markt eigen­ständig auf und trennen Ihre Finanzen vom Privat­ver­mögen. Aus steu­er­li­cher Sicht kann es je nach Gewinn­höhe eben­falls inter­es­sant sein​. Wenn Sie ohnehin planen zu wachsen oder mehrere Gesell­schafter haben, ist die Kapi­tal­ge­sell­schaft eine Über­le­gung wert. Aber machen Sie es nicht allein aus Angst vor Schein­selbst­stän­dig­keit – dann lieber die oben genannten Krite­rien erfüllen.
  • Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dig­keit bewusst einordnen: Wussten Sie, dass es auch die Kate­gorie „arbeit­neh­mer­ähn­li­cher Selbst­stän­diger“ gibt? Diese liegt vor, wenn Sie zwar echt selbst­ständig tätig sind, aber haupt­säch­lich für einen Auftrag­geber arbeiten und keine eigenen sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tigen Mitar­beiter beschäf­tigen. In so einem Fall gelten Sie recht­lich immer noch als Selbst­stän­diger, jedoch mit Renten­ver­si­che­rungs­pflicht – Sie müssen sich also gesetz­lich renten­ver­si­chern und den vollen Beitrag (Arbeit­geber- und Arbeit­neh­mer­an­teil) selbst tragen​. Viele Solo-Selbst­stän­dige kennen diese Regel nicht und sind über­rascht von der plötz­li­chen Zahlungs­pflicht. Wichtig ist: Das ist nicht Schein­selbst­stän­dig­keit, sondern legal, aber finan­ziell rele­vant. Wenn Sie sich bewusst dafür entscheiden, nur einen Groß­kunden zu bedienen, planen Sie diese Zusatz­kosten ein. Sie können bei der Deut­schen Renten­ver­si­che­rung ggf. eine Befreiung bean­tragen, sofern bestimmte Voraus­set­zungen erfüllt sind (z.B. wenn Ihr Auftrag befristet ist oder Ihr Honorar sehr hoch und Sie ander­weitig vorsorgen). Infor­mieren Sie sich in so einem Fall gezielt über die Rege­lungen für arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dige, damit Sie zwar unab­hängig bleiben, aber Ihre Vorsorge nicht vernach­läs­sigen. Es ist jeden­falls ein Unter­schied, ob man „nur“ renten­ver­si­che­rungs­pflichtig als Selbst­stän­diger ist oder ob man illegal schein­selbst­ständig agiert. Ersteres können Sie hand­haben (es kostet Geld, aber Sie sind auf der sicheren Seite), letz­teres sollten Sie unbe­dingt vermeiden.
  • Im Zweifel echtes Ange­stell­ten­ver­hältnis wählen: Dieser Tipp mag kontrain­tuitiv klingen, aber: Wenn ein Unter­nehmen prak­tisch Ihre gesamte Arbeits­kraft benö­tigt und dauer­haft bestimmt, wann, wo, wie Sie arbeiten, dann fragen Sie sich ehrlich, ob eine Fest­an­stel­lung nicht sinn­voller wäre. Manche Selbst­stän­dige atmen richtig auf, wenn sie nach Jahren als unsi­cherer „Freier“ doch einen Arbeits­ver­trag unter­schreiben und dafür Planungs­si­cher­heit, Urlaub, Sozi­al­ver­si­che­rung und ein festes Gehalt bekommen. Sie können auch beides kombi­nieren: Beispiels­weise in Teil­zeit fest ange­stellt bei Ihrem Haupt­kunden arbeiten (z.B. 2-3 Tage die Woche) und daneben weiterhin selbst­stän­dige Projekte für andere Auftrag­geber über­nehmen. So haben Sie ein stabiles Funda­ment und bleiben dennoch teil­weise Ihr eigener Chef. Diese Lösung ist natür­lich abhängig von den Möglich­keiten und Wünschen beider Seiten, aber sie sei erwähnt – denn letzt­lich soll Ihre beruf­liche Tätig­keit für Sie stimmen. Und ein echter Ange­stell­tenjob ist allemal besser, als scheinbar selbst­ständig zu sein und perma­nent mit einem Bein im Ille­galen zu stehen.

Fazit

Sie können durchaus selbst­ständig für Unter­nehmen tätig sein, ohne schein­selbst­ständig zu sein – wenn Sie es richtig anpa­cken. Halten Sie die Zusam­men­ar­beit klar, unab­hängig und profes­sio­nell, dann profi­tieren beide Seiten: Das Unter­nehmen von Ihrer Flexi­bi­lität und Exper­tise, und Sie von inter­es­santen Aufträgen bei voller unter­neh­me­ri­scher Frei­heit. Sollte ein Auftrag­geber unsi­chere Anfor­de­rungen stellen (z.B. „Sie dürfen nur für uns arbeiten und müssen täglich anwe­send sein“), scheuen Sie sich nicht, das Gespräch zu suchen und alter­na­tive Modelle vorzu­schlagen – etwa einen befris­teten Arbeits­ver­trag oder Anpas­sungen im Vertrag, die Ihre Selbst­stän­dig­keit wahren. Es ist besser, solche Punkte offen zu klären, als später böse Über­ra­schungen zu erleben.

Zum Abschluss noch ein persön­li­cher Rat: Kennen Sie Ihren Wert und Ihre Rechte. Als Selbst­stän­diger sind Sie Ihr eigener Chef – mit allen Chancen, aber auch Pflichten. Infor­mieren Sie sich regel­mäßig (z.B. bei der IHK oder Berufs­ver­bänden) über gesetz­liche Ände­rungen und nutzen Sie Check­listen, um Ihren Status zu über­prüfen. So können Sie mit ruhigem Gewissen Ihrer Tätig­keit nach­gehen. Sollten Sie dennoch einmal Post von der Renten­ver­si­che­rung oder dem Zoll zur Prüfung bekommen, geraten Sie nicht in Panik: Wenn Sie die oben genannten Grund­sätze beher­zigt haben, stehen die Chancen gut, dass alles in Ordnung ist.

Check­liste: So vermeiden Sie Schein­selbst­stän­dig­keit (auch bei nur einem Kunden)

1. Klare, schrift­liche Abspra­chen

  • Halten Sie im Vertrag fest, dass Sie als selbst­stän­diger Dienst- oder Werk­leister tätig sind und keine Arbeit­neh­mer­tä­tig­keit ausüben.
  • Legen Sie fest, welche Leis­tungen Sie konkret erbringen und dass Sie dafür eigen­ver­ant­wort­lich (ohne Weisungs­bin­dung) agieren.

2. Eigene Außen­prä­senz und unter­neh­me­ri­sches Handeln

  • Führen Sie ein eigenes Geschäft (Website, Brief­pa­pier, E-Mail-Adresse, Visi­ten­karten).
  • Werben Sie im Ideal­fall aktiv um weitere Kunden, auch wenn Sie zurzeit über­wie­gend einen Haupt­kunden haben.
  • Treten Sie erkennbar als eigene Firma auf, nicht als „Teil“ des Kunden­un­ter­neh­mens.

3. Vermeiden Sie feste Arbeits­zeiten und -orte

  • Bestimmen Sie selbst, wann und wo Sie arbeiten.
  • Wenn räum­liche oder zeit­liche Vorgaben nötig sind (z.B. wegen Projekt­mee­tings), halten Sie dies so flexibel wie möglich.

4. Bezah­lung nach Ergebnis oder Stun­den­pa­keten statt Monats­ge­halt

  • Nutzen Sie Pauschal- oder Stun­den­ab­rech­nungen, die unter­neh­me­risch kalku­liert sind.
  • Vermeiden Sie Gehalts­ähn­liche Struk­turen (z.B. gleiche Zahlung jeden Monat unab­hängig von der Leis­tung).

5. Keine Inte­gra­tion ins Team wie ein Ange­stellter

  • Achten Sie darauf, nicht wie ein interner Mitar­beiter behan­delt zu werden (keine Firmen-E-Mail, kein Mitspra­che­recht bei internen Perso­nal­fragen, keine voll­stän­dige Einbin­dung in die Betriebs­or­ga­ni­sa­tion).
  • Urlaubs­pla­nung, Krank­mel­dungen oder Team-Meetings gelten nur im Rahmen vertrag­lich verein­barter Projekt- oder Abstim­mungs­be­darfe.

6. Tragen Sie ein eigenes unter­neh­me­ri­sches Risiko

  • Über­nehmen Sie Kosten für Arbeits­mittel, Soft­ware, Fort­bil­dungen etc. selbst.
  • Ein höheres Honorar spie­gelt Ihre Ausgaben und unter­neh­me­ri­schen Risiken wider.

7. Doku­men­tieren Sie Ihre eigen­stän­dige Arbeits­weise

  • Belegen Sie Ihre Selbst­stän­dig­keit durch eigene Ange­bote, Rech­nungen und Projekt­be­richte.
  • Verweisen Sie im Zwei­fels­fall auf eigene Refe­renz­pro­jekte und weitere Auftrag­geber, auch wenn diese kleiner oder seltener sind.

8. Status­fest­stel­lungs­ver­fahren bei Unsi­cher­heit

  • Wenn Sie und Ihr Kunde Klar­heit wollen, bean­tragen Sie bei der Deut­schen Renten­ver­si­che­rung eine Status­prü­fung. Das Ergebnis schafft Rechts­si­cher­heit – gege­be­nen­falls können Sie Ihren Vertrag daraufhin anpassen.

9. Arbeit­neh­mer­ähn­liche Selbst­stän­dig­keit im Blick haben

  • Arbeiten Sie ausschließ­lich oder fast ausschließ­lich für diesen einen Kunden, infor­mieren Sie sich über eine mögliche Renten­ver­si­che­rungs­pflicht. Das ist nicht gleich Schein­selbst­stän­dig­keit, zieht aber andere Verpflich­tungen nach sich.

10. Sofort handeln, wenn der Kunde „feste Weisungen“ verlangt

  • Kommt es zu weisungs­ge­bun­dener Arbeit und dauer­hafter Einglie­de­rung, spre­chen Sie Ihren Kunden darauf an und schlagen Alter­na­tiven (Projekt­ver­träge, befris­tete Anstel­lung oder flexible Modelle) vor. Besser jetzt nach­jus­tieren, als später Probleme zu haben.

Bleiben Sie wirk­lich selbst­ständig im besten Sinne des Wortes – dann brau­chen Sie die Schein­selbst­stän­dig­keit nicht zu fürchten!

Viel Erfolg bei Ihren Projekten.

Hinweis: Dieser Beitrag beleuchtet das Thema Schein­selbst­stän­dig­keit grund­sätz­lich und stellt keine verbind­liche Bera­tung dar. Für Hand­lungen, die Sie aus diesem Beitrag ableiten, wird keine Haftung über­nommen. Wenn Sie Bera­tungs­be­darf haben, beleuchten wir gerne Ihre indi­vi­du­elle Situa­tion und helfen Ihnen weiter.


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