Der digitale Nachlass
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Dies betrifft auch Bereiche, für die oft noch keine ausreichende Sensibilität vorliegt: Gerade in kleineren Unternehmen liegen die Zugänge zu geschäftsrelevanten Online-Konten und IT-Systemen in den Händen der Geschäftsführung. Selten gibt es dabei einen geregelten Notfallplan für den Fall, dass diese plötzlich ausfällt. Um in so einer Situation handlungsfähig zu bleiben, gilt es auch hier, rechtzeitig vorzusorgen.
Die Digitalisierung der gesamten Geschäftswelt hat in den letzten Jahren zu einer Flut an elektronischen Daten geführt: E-Mail-Konten, Social-Media-Accounts, Blogs, Cloud-Software, Onlineshop-Systeme, Website-Hosting – die Liste der eingesetzten Programme ist in den meisten Unternehmen kaum mehr überschaubar. Vor allem in kleinen und mittelgroßen Unternehmen besteht nicht selten die Problematik, dass die Zugangsdaten zu besagten Systemen und Programmen in den Händen der Geschäftsführung konzentriert sind. Im Ernstfall des Ablebens einer Person aus der Führungsspitze kann das zu ernsthaften Problemen für die Firma führen. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig auf die IT-getriebene Veränderung der Arbeitswelt zu reagieren und Notfallpläne für diesen Ernstfall zu erarbeiten. Denn die Digitalisierung macht die Wirtschaft auch immer schneller, sodass persönliche Umstände einzelner Akteure keinesfalls die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens einschränken dürfen. Klare digitale Nachlassregelungen können dabei helfen, dass Firmen in jeder Situation handlungsfähig bleiben.
Zwar bieten Bestattungsunternehmen mittlerweile auch hierbei ihre Hilfe an, doch handelt es sich in den meisten Fällen um den privaten Bereich. Dennoch: Eine vom Berliner Start-up Columba entwickelte IT-Technologie hilft bereits dabei, unbekannte Verträge aufzuspüren. Für die Geschäftsführung kleiner und mittlerer Unternehmen sollte aber im Optimalfall eine solche Software-Lösung nicht notwendig sein. Sie ist deshalb gut beraten, ihr Unternehmen so zu organisieren, dass es auch bei kurzfristiger Abwesenheit handlungsfähig bleibt. Das stellt die Existenz des Unternehmens sicher – und letztlich auch die Arbeitsplätze.
Rund 80 % der internetnutzenden Menschen haben ihr digitales Erbe noch gar nicht geregelt – so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Verbands Bitkom. Insbesondere die jüngste und älteste Generation wirkt hierbei naiv. 88 % der 14- bis 29-Jährigen und 96 % der Generation 65 plus haben sich noch gar nicht um ihren digitalen Nachlass gekümmert.
Ähnlich sieht dies in Unternehmen aus. Viele scheuen den Umgang mit dem digitalen Erbe und die Einsetzung von Erben oder Bevollmächtigten.
Was ist ein digitaler Nachlass?
Zum digitalen Nachlass gehören „alle Rechtsverhältnisse, Rechte und Pflichten des Erblassers im Zusammenhang mit IT-Systemen und die damit verbundenen elektronischen Daten (…)“ (Quelle: Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz). Dazu gehören nicht nur Daten aus sozialen Netzwerken, Konten mit persönlichen Daten wie Blogs oder Ähnliches, Spielkonten sowie erworbene Bonuspunkte oder Rabatte, sondern insbesondere auch Zugänge zu unternehmensrelevanten Online-Diensten wie Clouds, Website-Hosting, E-Mail-Verkehr, Buchhaltungssoftware etc.
Organisationsstruktur in kleinen und mittleren Unternehmen – ihre Herausforderungen
Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen verfügen nicht über IT-Abteilungen, die für die adäquate Sicherung des digitalen Nachlasses sorgen. Größere Unternehmen hingegen haben oftmals sogar spezielle Regelungen, die bestimmen, wer Zugriff auf welche Daten und Informationen hat, auf Passwörter oder Social- Media-Konten. Kleine und mittlere Unternehmen sind deshalb nicht immer auf Notfälle oder plötzlichen Tod vorbereitet. Digitale Hinterlassenschaften müssen von den Erben und Nachfolgern dann oft mühsam aufgespürt werden.
Worst-Case-Szenario
Kleinere und mittlere Unternehmen sind in den meisten Fällen eher hierarchisch aufgebaut, das heißt die Geschäftsführung hält die Fäden in der Hand. Ist im Todesfall keine Bevollmächtigung festgelegt, kann sich das Unternehmen schon bald Problemen gegenübersehen. Denn in der Regel ist laut AGB der Internetdienste aus Datenschutzgründen keinem Dritten der Zugriff auf einen Account erlaubt. Außenstehende haben damit lediglich die Möglichkeit der Stilllegung oder Löschung. Das kann weitere Probleme nach sich ziehen. Läuft z. B. eine Unternehmenspräsenz in den sozialen Medien ausschließlich über einen privaten Namen und es ist keinen anderen Personen ebenfalls Zugriff erteilt, verschwindet die Präsenz im Nirwana des World Wide Web.
Selbst wenn aus unternehmerischer Sicht gar kein besonderes Interesse an der Fortführung der Accounts besteht, ist eine ordentliche Regelung wichtig. Denn im Todesfall werden die rechtlichen Pflichten mitvererbt, die mit der Verwaltung des Accounts oder der Website einhergehen. Werden diese Pflichten verpasst, kann dies zu empfindlichen Konsequenzen führen. Auch deshalb ist es wichtig, dass Dritte Zugang zum Account haben, um etwaige Anpassungen zeitnah vornehmen zu können. Dazu gehören auch Fragen des Urheberrechts, denn auch die Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen wird mitvererbt.
Lösungswege
Trennung von privatem und unternehmerischem Bereich
Elementarer Bestandteil bei der Vorbereitung eines digitalen Nachlasses ist die Ausstellung getrennter Vollmachten für den privaten und geschäftlichen Bereich. Dies erlaubt den Bevollmächtigten dann im Ernstfall die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Wichtige Voraussetzung für eine unproblematische Handhabung ist, schon im Vorfeld die Nutzung von Diensten strikt zu trennen. Dazu gehört z. B. die konsequente Unterscheidung von geschäftlichen und privaten E-Mails. Wird dies nicht verfolgt, so können sich später Probleme beim Zugriff durch Dritte auftun, wenn geschäftliche E-Mails über einen privaten Account versendet wurden und diese unter den Datenschutz fallen.
Letztwillige Verfügung
Geschäftsleute können mithilfe ihres Testaments entscheiden, was nach dem Tod mit ihrem digitalen Nachlass passiert und wer Zugriff auf welchen Daten hat. Freilich bietet sich dies eher für den privaten Bereich an, weniger für das Unternehmen. Dennoch: Befindet sich das Unternehmen in Familienhand, bietet sich eine solche letztwillige Verfügung bzw. ein digitales Testament sicherlich an.
Auflistung von Zugangsdaten
Neben einer letztwilligen Verfügung ergibt es grundsätzlich Sinn, sämtliche Zugangsdaten und Anweisungen zu ihrer Handhabung in einem separaten Dokument zu sichern. Die Liste kann mithilfe eines Passwort-Managers verwaltet werden. Die simplen Hilfsprogramme in Form einer Software oder einer Online-Anwendung schützen die Zugangsdaten durch ein Masterpasswort, das im Todesfall weitergegeben werden muss. Das Masterpasswort kann von einem von Berufswegen der Verschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Notar verwahrt werden.
Gleichwohl kann die unkontrollierte Weitergabe sensibler Daten ebenso die Existenz des Unternehmens nachhaltig gefährden. Allein deshalb ist ein entsprechendes Konzept zur Administration von Passwörtern und anderer unternehmerischer Online-Daten erforderlich, um einen reibungslosen Ablauf stets zu gewährleisten.
Einsetzung von Erben
Befindet sich das Unternehmen in Familienhand, sind die Erben berechtigt, die Accounts zu verwenden. Sofern die nachfolgende Geschäftsführung nicht bereits Zugang hat, kann sie die Accounts weiter benutzen. Personendaten müssen allerdings zwingend angepasst werden.
Bei sozialen Netzwerken beispielsweise ist das klassische Erbrecht anzuwenden. Das heißt, der digitale Nachlass wird dem Erbe von Gegenständen gleichgestellt. Kleine und mittlere Unternehmen, die inhabergeführt sind, sind in erster Linie davon betroffen. Hier wird der digitale Nachlass nicht nur zur Führungs-, sondern auch zur Erbsache. Für eine Aufrechterhaltung des Betriebs ist es gerade in diesen Fällen besonders wichtig, den digitalen Nachlass korrekt und rechtzeitig zu regeln. Daher sollte der digitale Nachlass umgehend abgeschätzt und entsprechende Erben bestimmt werden, die Zugang zu den Konten erhalten.
Konzept für den digitalen Nachlass
Um ein angemessenes Konzept auszuarbeiten, ist die Auswahl vertrauenswürdiger Erben maßgeblich. Dazu gehört auch ein sorgfältig ausgearbeitetes und durchdachtes Testament, das anwaltlich zudem auf seine juristische Korrektheit hin überprüft werden sollte.
Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, was den digitalen Nachlass eines Unternehmens ausmacht. Dazu gehören neben klassischen E-Mail-Konten auch Anbieter von Cloud-Speichern, Accounts auf den verschiedenen Social- Media-Plattformen sowie Konten bei anderen Service-Providern oder Onlineshops. Befindet sich die IT nicht im Haus, sondern wird von externen Dienstleistern übernommen und sind dadurch weitere Zugangsdaten erforderlich, sollten auch diese Informationen Teil der Bestandsaufnahme werden. Es ist grundsätzlich ratsam, Personenkonten in Firmenkonten umzuwandeln, sodass der Zugang im Todesfall einfacher ist.
Dabei ist es außerdem wichtig, festzulegen, wie im Krankheits- oder Todesfall mit den digitalen Zugängen verfahren werden soll. Dies erleichtert im Ernstfall den Umgang und die Handhabung deutlich. Der Zugriff auf die Konten muss gewährleistet sein und bei Eröffnung des digitalen Testaments an die Bevollmächtigten übergehen. Die Verwahrung kann mithilfe des oben bereits erwähnten Passwort-Managers erfolgen. Voraussetzung für eine reibungsloses Funktion ist selbstredend die Aktualität der Passwörter. Geänderte Passwörter müssen deshalb umgehend im Passwort-Manager angepasst werden, ebenso müssen neu angelegte Accounts sofort aufgenommen werden.
Deshalb sollte in jedem Unternehmen gelten: Der digitale Nachlass ist Teil eines IT-Notfallplans, der jedwede Zugangsdaten inkludiert. Er sollte entsprechenden Vertrauenspersonen unter Berücksichtigung notwendiger Sicherheitsvorkehrungen zugänglich gemacht werden und so den digitalen Nachlass sicherstellen.
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